Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt nicht tariffähig. Damit darf die Organisation keine Tarifverträge mehr abschließen. Zur Frage, was die Entscheidung für die bislang von der CGZP geschlossenen Tarifabschlüsse bedeutet, nahmen die Bundesrichter nicht ausdrücklich Stellung. Im Gegensatz zur Vorinstanz wurden die bisherigen CGZP-Tarifverträge nicht für nichtig erklärt. Es sei jedoch zweifelhaft, dass die CGZP in der Vergangenheit jemals tariffähig gewesen sei, sagte ein Gerichtssprecher tagesschau.de. Betroffene Arbeitnehmer müssen nach seinen Angaben nun selbst vor die Arbeitsgerichte ziehen, um dieselbe Bezahlung wie die Stammbelegschaft einzufordern.
Hintergrund des Streits ist das sogenannte Equal-Pay-Gebot. Danach haben Leiharbeiter Anspruch auf den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft, sofern für sie kein eigenständiger Tarifvertrag gilt. Die Gewerkschaft ver.di und das Land Berlin hatten der CGZP vorgeworfen, mit niedrigen Tarifabschlüssen für Leiharbeiter das Lohnniveau zu drücken. Sie hatten die Tariffähigkeit der CGZP angezweifelt und bereits in den Vorinstanzen Recht bekommen. Die zuvor geschlossenen CGZP-Tarifverträge, die laut Schätzungen für etwa 200.000 Leiharbeiter in 1600 Firmen galten, stuften die Berliner Arbeitsgerichte als nichtig ein.
Möglicherweise hohe Nachzahlungen
Die betroffenen Arbeitnehmer müssten nach dem Equal-Pay-Gebot mehr Geld erhalten, falls die bisherigen CGZP-Tarifverträge nichtig sind. Dies könnte laut einer ver.di-Schätzung bis zu 280.000 Arbeitnehmer betreffen. Je nach Arbeitsvertrag könnten sie auch rückwirkend Geld nachfordern. Die betroffenen Firmen müssten zudem teilweise deutlich höhere Sozialversicherungsbeiträge abführen. Schätzungen zufolge könnten allein die Sozialversicherungssysteme mit Nachzahlungen von bis zu zwei Milliarden Euro rechnen.
Nach Einschätzung der IG Metall können aufgrund des Urteils des Bundesarbeitsgerichts Tausende Zeitarbeiter auch nachträglich gleichen Lohn einklagen. Außerdem seien nun die Sozialversicherungsträger am Zug, über Jahre hinweg nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern, erklärte der Justiziar der Gewerkschaft, Thomas Klebe. „Mit diesem Beschluss steht fest, dass die mit der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge unwirksam sind und alle danach bezahlten Beschäftigten Ansprüche auf gleiche Bezahlung und gleiche Arbeitsbedingungen wie die Stammbeschäftigten haben“, sagte Klebe. Es müssten lediglich die individuellen Verjährungsfristen beachtet werden.
Grund für Tarifunfähigkeit
In der 2002 gegründeten Tarifgemeinschaft CGZP haben sich die nach eigenem Verständnis christlichen Gewerkschaften zusammengeschlossen, um branchenübergreifend Tarifverträge für die Leiharbeitsbranche abzuschließen. Um tariffähig zu sein und Tarifverträge abschließen zu können, ist laut ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine ausreichende „Sozialmächtigkeit“ der Gewerkschaften notwendig. Das heißt, sie müssen ausreichend schlagkräftig und durchsetzungsfähig sein, um der Arbeitgeberseite ein wirkliches Gegengewicht bieten zu können. Im Fall der CGZP kamen die Richter nach Angaben eines Gerichtssprechers zu der Auffassung, dass die erforderliche Tarifmächtigkeit mangels einer ausreichenden Mitgliederzahl nicht gegeben sei.
Az: 1 ABR 19/10
Update 22.12.2020: Ver.di schaltet Leiharbeit-Hotline
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat eine Hotline geschaltet, um die bis zu 280.000 Leiharbeitskräfte dabei zu unterstützen, Nachforderungen bezüglich ihrer Vergütungen der vergangenen Jahre geltend zu machen.
Unter der Telefonnummer 0180-2220066 (aud dem deutschen Festnetz 6 Cent pro Anruf; aus dem Mobilfunknetz maximal 42 Cent pro Minute) können Betroffene sich von ver.di-Experten unverbindlich über die dafür erforderlichen Schritte beraten lassen. Für Mitglieder übernimmt ver.di Rechtschutz. „Um alle Ansprüche geltend zu machen, sollten die Kolleginnen und Kollegen noch in diesem Jahr tätig werden. Wir wollen ihnen dabei kompetent zur Seite stehen“, hieß es dazu bei ver.di.
Erreichbarkeit der Hotline:
Montag – Freitag 7-20 Uhr, Samstag 9-16 Uhr
Unglaublich! Aber wenigstens hier scheint sich etwas zu bewegen. Dank des noch investigativen Journalismus der Redaktion Report (aus Mainz) der ARD wurde die Tatsache aufgedeckt, dass eine Art „Scheingewerkschaft“ gegründet wurde mit dem Ziel, Dumpinglohne um die 3 Euro herum legal zu bezahlen. Und dann auch noch unter dem „christlichen“ Deckmantel ? (wir erinnern uns an den Namen der zwischenzeitlich nicht mehr als solche anerkannten Organisation). Mein Dank gilt hier den Richtern in Berlin, die offensichtlich in der Lage waren, diesen feistdreisten Umstand zu erkennen und dieser Praxis einen Riegel vorgeschoben haben.