Am Berliner Sozialgericht hat die Klagewelle gegen Hartz-IV-Bescheide einen neuen Rekord erreicht. Im vergangenen Jahr seien 32.000 neue Verfahren gezählt worden, sagte die Präsidentin des Sozialgerichts, Sabine Schudoma. Das seien 5000 mehr als 2009. Seit der Einführung von Hartz IV 2005 habe sich die Zahl neuer Fälle damit mehr als vervierfacht. Im Schnitt kämen monatlich 2700 Verfahren hinzu.
„An der Nordsee folgt auf Flut die Ebbe. Am Sozialgericht Berlin steigt die Klageflut Tag und Nacht“, erklärte die Präsidentin. Die Klagewelle sei jedoch keine „Wutwelle“. Es gehe um konkrete Ansprüche. „Fälle von Sozialbetrug sind die krasse Ausnahme.“ In den Hartz-IV-Klagen gehe es oft um die Anrechnung von Einkommen, Kosten der Unterkunft und Verletzung von Bearbeitungsfristen. Rund die Hälfte der Kläger bekommt dabei Recht: „Eine Erfolgsquote von 50 Prozent ist ein klares Signal an die Politik – vergesst die Praxis nicht“, sagte Schudoma.
Aktenberge werden immer größer
Parallel dazu wächst nach Angaben des Gerichts der Berg unerledigter Verfahren. Ende Dezember vergangenen Jahres habe es bereits 39.000 offene Verfahren gegeben. „Das Gericht müsste ein Jahr schließen, um den Aktenberg abzuarbeiten“, sagte Schudoma.
Fast jeder zehnte der bundesweit 4,8 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Bezieher lebt in Berlin – jeder fünfte Hauptstädter unter 65 Jahren lebt von Hartz IV – derzeit 441.000 Erwachsene und 155.000 Kinder und Jugendliche.
Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass leider erst oft Gerichte Ordnung in das Wirrwarr vieler Bescheide der ARGE’n im Rahmen einer Leistungsklage bringen, da die zuständigen Behörenden oft ein unglaubliches (rechtliches) Chaos produzieren, durch das kaum ein Empfänger von ALG II selbst durchblickt, geschweige denn so mancher Jurist. Manch ein Anwalt kann nur den Kopf schütteln über das, was sich manche Behörde oder mancher Eigenbetrieb ausdenkt. Die Klagenden sind nur die Spitze des Eisbergs. Die Mehrheit klagt nicht! Sie nehmen stillschweigend ungerechtfgertigte Kürzungen oder Sanktionen hin, weil sie sich außerstande sehen, sich dagegen angemessen zu wehren. Wer hat schon ein Jurastudium absolviert, bevor er oder sie H4 Empfänger wurde ? Dabei wären viel mehr Klagen eigentlich gerechtfertigt. Aus Rücksicht vor der Überlastung der Gerichte müsste man davon abraten. Aus Anlass vieler falscher Sanktionen und ungerechtfertigter Kürzungen, die dazu führen, dass in dieser Sekunde hunderttausende Menschen unterhalb des Existenzminimums leben müssen, müsste man dazu anraten, deutlich mehr(!) zu klagen. Die größte Zahl der H4 Empfänger arbeitet, und kann von ihrem Lohn nicht überleben und empfängt deshalb Leistungen nach dem SGB II. Peinlich für diesen Staat, der dieses Ungleichgewicht nicht in den Griff bekommt! Aber durch die ausufernde Bürokratie der H4-Behörden, das Aussprechen von Sanktionen und Kürzungen, die schlechte Betreuung seitens der ARGE’n (und Eigenbetriebe) soll wohl nur eins erreicht werden: Die Menschen sollen müde werden. Müde, durch den ständigen (Über)Lebenskampf. Die Maxime hier ist: Erschöpfte Menschen machen keine Revolution! Ich sage, es ist Zeit für das Gegenteil: es müssen mehr Menschen kämpfen, nicht nur für sich selbst, sondern auch für eine gerechtere Gesellschaft, in der die Schere nicht weiter auseinander driftet, immer mehr Reiche, immer mehr Arme. Es gibt eine Schmerzgrenze, und die ist bereits weit überschritten. Sehen wir mal, wie lange die „Armen“ durch vorgegebene Mut- und Perspektivlosigkeit noch innehalten werden. Es wird Zeit, dass sich diese Menschen zusammenschließen, Netzwerke gründen und ihre Interessen offen vertreten. Wenn dem H4 Empfänger eingeredet wird, dass seine Eigenverantwortung dazu führe, dass er arbeitslos sei, dann bringt mich das eher zum schmunzeln, denn es gibt eine gewollte Ungerechttigkeit, wenn Banken zum Beispiel das zig-fache an Milliarden kassieren, was H4 Empfänger zugesprochen wird. Also keine falsche Scham bitte! Bankenmanager klagen auch ihre Millionen-Provisionen ein, auch dann, wenn sie ihren eigenen Arbeitgeber, also die Bank, in die Pleite gewirtschaftet haben. Das ist viel peinlicher, als eine Klage gegen einen ungerechtfertigten ALG II Bescheid.