Hier eine Presseerklärung von uns zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Höhe der Regelsätze, die gestern im Bergsträßer Anzeiger und heute im Starkenburger Echo zu lesen war:
Initiative fordert neue Sichtweise auf Arbeitslosigkeit
Hartz IV: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts äußert sich ,,Andere Wege im Kreis Bergstraße“
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Hartz-IV-Regelsätze für verfassungswidrig erklärt hat, sei ein guter Anlass, grundlegend über Hartz IV nachzudenken, schreibt die Erwerbsloseninitiative Andere Wege. Denn gemessen an dem, was Hartz IV bringen sollte, sei die Bilanz ernüchternd:
- Die Zahl der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sei heute fast genauso groß (4,93 Millionen) wie zur Zeit der Einführung von Hartz IV (5,15 Millionen).
- Die Zahl der von Hartz IV lebenden Kinder unter 14 Jahren habe sich ebenfalls nur geringfügig geändert (Rückgang von 1,78 auf 1,74 Millionen).
- Mehr als 50 Prozent aller Hartz-IV-Bezieher sind von Anfang an dabei – wurden also nie vermittelt oder landeten kurz nach der Vermittlung wieder in Hartz IV.
- Seit Einführung von Hartz IV sei die Zahl der Arbeitslosen zwar von 4,6 auf 3,2 Millionen gesunken, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse aber nur von 26,9 Millionen auf 27,3 Millionen gestiegen. Dafür habe sich die Zahl der Aufstocker, also derjenigen, die zwar Vollzeit arbeiten, davon aber nicht leben können, auf 1,4 Millionen erhöht. Durch Hartz IV sei ein Billiglohnsektor entstanden, der auch vom Bergsträßer Eigenbetrieb Neue Wege regelmäßig bedient werde.
- Die Klagewelle vor den Sozialgerichten aufgrund fehlerhafter Bescheide steige an. In rund der Hälfte aller Fälle bekämen die Kläger Recht.
Diese Zahlen machen nach Ansicht von Andere Wege deutlich, dass Hartz IV gescheitert ist. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung sei eine neue Diskussion über Arbeitslosigkeit notwendig.
,,Zwischen 1990 und heute“, schreibt Andere Wege, ,,ist die Produktivität eines Industriearbeiters um mehr als 75 Prozent gestiegen“. Das heißt, dass ein Arbeiter während seiner Arbeitszeit durch Automatisierungsprozesse 75 Prozent mehr Waren herstellt als vor 20 Jahren. Im selben Zeitraum sei die Zahl der bundesweit geleisteten Arbeitsstunden um mehr als drei Milliarden gesunken, die Zahl der Vollzeitbeschäftigten um mehr als fünf Millionen.
Durch stete Produktivitätssteigerung werde es, so Andere Wege weiter, eine Vollbeschäftigung wie in früheren Jahren nicht mehr geben. Die Lösung dieses Problems könne nicht darin liegen, dass auf der einen Seite immer mehr Menschen auf Teile ihres Lohns verzichten und noch dazu unbezahlte Überstunden leisteten, während die Arbeitslosen auf der anderen Seite mit einem ebenso absurden wie entwürdigenden Instrumentarium wie Hartz IV in prekäre Beschäftigungsverhältnisse gezwungen würden, von deren Entlohnung sie nicht leben könnten. Es müsse vielmehr darum gehen, die gesamtgesellschaftlich vorhandene Arbeit gleichmäßig zu verteilen.
Hierzu ist nach Ansicht von Andere Wege eine Senkung der Wochen- und Lebensarbeitszeit sowie die flächendeckende Einführung von Mindestlöhnen notwendig. Anstatt an Teilen von Hartz IV herumzubasteln, solle man es ganz abschaffen und ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle einführen, dessen Höhe unabhängig von Zusatzeinkommen zum Leben reiche.